Kiels Gesichter – Kiels Geschichten

Viktoria und Samuel haben das Projekt "Kiels Gesichter" ins Leben gerufen


Anonymität prägt unseren Stadtalltag. Dabei ist das Thema Identität und Zugehörigkeit so aktuell wie nie zuvor. In Anlehnung an den New Yorker
Fotografen Brandon Stanton interviewen und fotografieren Viktoria Micheel und Samuel Bereuther jeden Monat Menschen aus Kiel. Mit diesem Projekt möchten sie zeigen, dass das Gesicht einer Stadt nicht Stahl oder Beton, sondern eine bunte Collage aus den Gesichtern der verschiedenen Menschen ist, die in ihr leben.


Begeisterung heißt, etwas für sich selbst zu tun und nicht, weil Andere es wollen.
Als ich für das Studium nach Kiel gezogen bin, hatte ich erst einmal einen extremen Hänger. Das lag wohl daran, dass ich das Studium noch angegangen bin wie den Rest meines Lebens. Ich
habe Dinge nicht getan, weil ich es wollte, sondern weil ich dachte, es gehört sich so. Erst Abi, dann Studium. Irgendwann wurde mir aber klar, dass ich niemals mehr so viel Zeit haben werde, so interessante Personen zu treffen und von ihnen zu lernen. Ich habe langsam gelernt, mein Leben für mich zu führen und nicht für Andere.

John, 24, Industriedesign an der
Muthesius Kunsthochschule


Heute habe ich alles für das Baby vorbereitet. Und morgen geh‘
ich in die Bib.
Viele sagen, das Schwierigste im Studium ist die Selbstorganisation. Die größte Herausforderung ist für mich aber, sich seinen eigenen Feierabend einzuräumen. Man muss lernen, sich vom Uni-Stress abzugrenzen und seinen anderen Leidenschaften nachzugehen. Ich schreibe zum Beispiel meinen eigenen Blog, den ich in letzter Zeit ziemlich schleifen gelassen habe. Für den hab‘ ich hoffentlich bald mehr Zeit, wenn erst einmal das Kind kommt und ich zuhause bin.

Annabel, 24, Deutsch und Musikwissenschaft an der Christian-Albrechts-Universität



Ich feiere den Ramadan, ich bete fünfmal am Tag und ich bin mehr als ein Klischee.
Mein Wunsch ist es, Schauspieler zu werden. In meiner muslimischen Familie wurden mir schon immer viele Freiheiten gegeben. Zur Zeit ist Ramadan; ich bete fünf Mal am Tag und faste. Für mich selbstverständlich. Viele Menschen denken, der Glaube schränke die Freiheit ein. Für mich ist Glaube Selbstreflexion und der Weg zu Bewusstsein und Freiheit. Leider haben viele vom Islam ein anderes Bild, deutlich geprägt von Hass und Intoleranz.

Ahmad, 21, Gasthörer Kunstgeschichte an der Christian-
Albrechts-Universität



Ich bin in diese Stadt gekommen, um einen neuen Blick für die Dinge zu bekommen.
Was kommt mir in den Sinn, wenn ich an Kiel denke? Zuerst ist da natürlich die Kieler Woche. Außerdem weiß ich, dass Kiel im Zweiten Weltkrieg die letzte Bastion der Nazis war. Was man mit einer Stadt verbindet, kommt immer darauf an, was einen persönlich interessiert. Der Osten ist geprägt von Stahlbau und Kohle, der Süden vom Autobau. Ich komme aus einer eher ländlichen Region im Süden und bin hierher gezogen, weil ich gerne etwas Neues machen wollte. Mal schauen, wie sehr Kiel meinen Blick noch verändert.

Julian, 20, Maschinenbau an der Fachhochschule Kiel



Viel zu oft hält man sich an Normen.
Ich halte mich selten an ein bestimmtes Rezept.
Es vergeht ja eigentlich keine Minute, in der man nicht irgendetwas Kreatives macht.
Das beginnt schon, wenn man sich in der Küche etwas zu Essen kocht. Ich selbst schreibe gerne Texte und zeichne manchmal, aber am zufriedensten macht mich die Musik. In meinen Liedern sprudelt die Kreativität manchmal nur so aus mir heraus – so wie beim Kochen. Dann füge ich hinzu, worauf ich Lust habe, nicht was mir irgendwelche Regeln vorgeben. Die Menschen halten sich meines Erachtens im Leben viel zu
oft ans Rezept. Ich lebe hingegen lieber aus dem Bauch heraus.

Camilla, 22, English and American Literatures, Cultures and Media an der Christian-Albrechts-Universität

Mehr dazu unter www.kielsgesichter.de.

Fotos: Viktoria Micheel